Mascha Kaléko
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
Und lass mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiss es wohl, dem gleiches widerfuhr;
– Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der andern muss man leben.
aus: Verse für Zeitgenossen
Michel de Montaigne
«Ich meine, dass der Tod zwar das Ende des Lebens ist,
nicht aber dessen Ziel, zwar sein Schlusspunkt,
seine äusserste Grenze, nicht aber sein Zweck.
Es muss vielmehr auf sich selber gerichtet sein, sich selber wollen.
Seine wahre Aufgabe besteht darin, sich seine eigene Ordnung
und Führung zu geben, mit sich ins Reine zu kommen.»
Theodor Fontane
«Eigentlich ist mir alles gleich, Der eine wird arm, der andre wird reich,
Aber mit Bismarck – was wird das noch geben?
Das mit Bismarck, das möcht’ ich noch erleben.
Eigentlich ist alles soso, Heute traurig, morgen froh,
Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Ach, es ist nicht viel dahinter.
Aber mein Enkel, so viel ist richtig, Wird mit nächstem vorschulpflichtig,
Und in etwa vierzehn Tagen wird er eine Mappe tragen,
Löschblätter will ich ins Heft ihm kleben – Ja, das möcht’ ich noch erleben.
Eigentlich ist alles nichts, Heute hält’s, und morgen bricht’s,
Hin stirbt alles, ganz geringe wird der Wert der ird’schen Dinge;
Doch wie tief herabgestimmtAuch das Wünschen Abschied nimmt,
Immer klingt es noch daneben: Ja, das möcht’ ich noch erleben.»
Rose Ausländer
Was vorüber ist
ist nicht vorüber
Es wächst weiter
in deinen Zellen
ein Baum aus Tränen
oder
vergangenem Glück